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Deutsche Küchenmöbelindustrie 2022: deutliches Wachstum trotz zunehmender Markturbulenzen erwartet

1. Halbjahr prägt positive Jahresbilanz – Aussichten vorübergehend eingetrübt – Export treibt Konjunkturmotor

Herford den

Die deutsche Küchenmöbelindustrie konnte sich im bisherigen Jahresverlauf mit einem Umsatzanstieg per Juli 2022 von mehr als zehn Prozent auch im langjährigen Vergleich auf sehr hohem Niveau behaupten. Während das gute Auftragspolster die positive Entwicklung bis zum Jahresende stützen wird, sieht sich die Branche einer aktuell zunehmenden Verunsicherung der Konsumenten gegenüber, so die Einschätzung von Stefan Waldenmaier, Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK e.V.), Herford, auf der heutigen Jahreswirtschaftspressekonferenz.

Die weitere konjunkturelle Entwicklung der deutschen Küchenmöbelindustrie müsse deshalb künftig noch stärker durch den Export unterstützt werden, denn hier könne man mit „Küchen Made in Germany“ sehr gut punkten, so Waldenmaier weiter. Angesichts unverändert hoher und oftmals kaum kalkulierbarer Kostenbelastungen – insbesondere im Material- und Energiesektor – sei es für die Unternehmen existenziell, diese Belastungen sehr schnell in der Kette weiterzugeben, stellt VdDK-Geschäftsführer Jan Kurth ergänzend heraus.

Während sich Lieferketten und die Nachwirkungen der Pandemie langsam einschwingen, stellt die durch Russland hervorgerufene energiebasierte Inflation die Branche vor neue und deutlich größere Herausforderungen. Allerdings federn eine global hohe Nachfrage, ein gutes Auftragspolster sowie die hohe Wertigkeit der Produkte die Auswirkungen zumindest teilweise ab. Insofern befindet sich der Branchenzweig in einer grundsätzlich robusten Situation, wie aktuelle Statistiken bestätigen.

„Obwohl die guten Umsatzzuwächse im ersten Halbjahr 2022 zu einem Teil preisgetrieben waren, sehen wir aufbauend auf einem schon hohen Vorjahresniveau eine weitere erfreuliche Mengensteigerung“, unterstreicht Verbandsvorsitzender Waldenmaier. Auch unsere Auftragseingangsstatistik zeigt nach Stückzahlen durchgängig ordentliche Wachstumsraten im Vergleich zum Vorjahr – sowohl für das In-, als auch für das Ausland.

„Nach Menge hat die Küchenmöbelindustrie per August insgesamt um 5,1 Prozent bzw. im Inland um 6,1 Prozent und im Ausland um 3,9 Prozent zugelegt“, ergänzt VdDK-Geschäftsführer Kurth. Wertmäßig war der AE-Zuwachs sogar durchweg zweistellig. Besonders das erste Halbjahr mit Quoten zwischen 28,7 Prozent (Februar) im Maximum und 19,3 Prozent (Juni) im Minimum unterstreichen die außergewöhnlich gute Situation.

Gute wirtschaftliche Position der Küchenmöbelindustrie

Die deutsche Küchenmöbelindustrie mit ihren knapp 18.200 Beschäftigten (+5 Prozent zu 2021) in bundesweit rund 50 Betrieben über 50 Arbeitnehmern befindet sich in einer vergleichsweise guten Position und prägt die wirtschaftliche Lage der deutschen Möbelindustrie maßgeblich. Saldiert belaufen sich die Gesamtumsätze für Küchenmöbel per Juli auf über 3,62 Mrd. Euro. Im Detail zeigt sich die Umsatzentwicklung bis Mai durchgehend positiv mit meist zweistelligem Wachstum und schließt aktuell per 7-2022 mit 10,11 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Die Monate Juni bzw. Juli mit Umsatzrückgängen von -0,05 bzw. -5,45 Prozent deuten jedoch auf ein Abflachen der Konjunktur – insbesondere im Inland, aber auch in Teilen Europas. Ursächlich hierfür dürfte weniger ein abnehmendes Vertrauen der Verbraucher in unsere Produkte, sondern eher – wie auch die GfK feststellt – eine sprunghaft gestiegenen Sparneigung der Bevölkerung sein, um sich gegen die aktuell dramatischen inflationären Tendenzen bei Energie und Lebensmitteln abzusichern.  

Denn grundsätzlich stehen Küchen bei den deutschen Verbrauchern sehr hoch im Kurs, wie eine aktuelle Studie zu den Pro-Kopf-Ausgaben nach Warengruppen bei Möbeln ausweist. Demnach stiegen die durchschnittlichen Ausgaben pro deutschem Haushalt für „Küche“ allein in den letzten drei Jahren von 373 Euro (2019) und 411 Euro (2020) auf 431 Euro im letzten Jahr. Unser Branchenzweig zieht damit weit mehr als die Hälfte aller privaten Konsumausgaben für Möbel und Einrichten auf sich – in Verbindung mit den Begleiterzeugnissen Haushaltgeräte, Spülen usw.

Umsatzwachstum 2022 bisher auf breiter Front

Der Auslandumsatz per Juli trägt mit über 1,63 Mrd. Euro zu 44 Prozent zu den Gesamtumsätzen bei. Damit nimmt das Geschäft jenseits der Grenzen nach den starken Marktverwerfungen 2020 weiterhin an Fahrt auf. Saldiert per Juli stehen 11,21 Prozent Exportwachstum im Vergleich zum Vorjahresmonat in den Büchern. Die Exportquote steigt damit seit Jahresbeginn ohne Unterbrechung auf zuletzt 44,84 Prozent (Juli) an, was eine zunehmende Bedeutung der Auslandsgeschäfte belegt.

Die Auftragseingänge aus dem Ausland bekräftigen die starke Position der deutschen Küchenmöbelindustrie: So stiegen die Auftragseingänge aus dem Ausland erneut per 1. Quartal 2022 um 13,84 Prozent, gefolgt von 16,26 Prozent per zweitem – um diese Rallye leicht abgeschwächt per Juli sowie per August mit jeweils 13 Prozent fortzusetzen, wobei hier auch ferienbedingte Veränderungen berücksichtigt werden müssen.

Das Inlandsgeschäft steuerte bis Ende Juli einen Umsatz in Höhe von 2 Mrd. Euro zum Gesamtergebnis bei und lag saldiert damit um 9,23 Prozent über dem Vorjahreswert. Nach einem recht guten, saldierten 1. Halbjahr mit 11,8 Prozent Wachstum kühlt der Inlandsmarkt im Juli mit einem Minus von 7,81 Prozent zum Vorjahresmonat erkennbar ab.

Das die Gesamtumsätze tragende Wachstum der Inlands-Auftragseingänge startete per 1. Quartal 2021 fulminant (35,92 Prozent), was natürlich auch den leicht negativen AE im 1. Quartal 2021 als Vergleichswert geschuldet ist. Per 2. Quartal schlossen die Auftragseingänge mehr als zufriedenstellend mit 21,98 Prozent Zuwachs bzw. mit 17,6 per Juli bzw. mit 15,5 Prozent per August 2022 im Vorjahresvergleich.

Wie festzustellen ist, liegen die wertmäßigen Auftragseingänge im In- und Ausland – selbst in rückläufigen Phasen – fast immer über den AE nach Stückzahlen. Dieser für den Branchenzweig bedeutende Sachverhalt steht zwar grundsätzlich für steigende Durchschnittspreise und zunehmende Wertigkeit unserer Küchen, gründet sich jedoch aktuell auf von den Herstellern an den Handel zwangsweise weitergereichte Kosten durch explodierende Einkaufspreise für Material und Energie.

Erfreuliches Wachstum im Ausland – Außenhandelssaldo gestiegen

Bezogen auf den Exportumsatz bleiben Gewichtung und damit Reihenfolge der wichtigsten Exportländer gleich: ‚Nummer 1‘ bleibt Frankreich (2022-7 zu 2021-7 bzw. zu 2020-7: +4,1 bzw. 45 %), gefolgt von den Niederlanden (+23,3 bzw. 48,9 %), Österreich (+20 bzw. 54,7 %), Belgien (+6,9 bzw. 39,2 %), der Schweiz (+0,6 bzw. 11,7 %), dem Vereinigten Königreich (+15,4 bzw. 68,9 %) und Spanien (+21,5 bzw. 65 %). Lediglich China, jetzt auf Platz 8 des Export-Umsatzrankings, bricht aus dieser Phalanx aus und weist Exportrückgänge in Höhe von -24 Prozent zu 2021-7 aus – was bei der restriktiven Corona-Politik des Landes nicht überrascht.

Das Außenhandelssaldo Küche, als einziges der Möbelbranche mit Überschuss, hat sich weiter vergrößert. Nach dem pandemiebedingten ‚Dämpfer‘ im 1. Halbjahr von 2019 zu 2020 in Höhe von -9,2 Prozent stieg es danach von 2020 zu 2021 um 25,7 Prozent. Aktuell von 2021-7 zu 2022-7 wächst der Saldo um 11,9 Prozent auf nunmehr über 1,5 Mrd. Euro.

Eine Ursache sind die im Vergleich zu den Exporten weiterhin geringen Küchenimporte nach Deutschland. Dazu ein Beispiel: Die beiden führenden Einfuhrländer Italien und Polen mit Steigerungsraten von 2020-7 zu 2022-7 in Höhe von 154 Prozent(!) bzw. 80,8 Prozent weisen summiert Umsätze beim Küchenimport nach Deutschland vergleichbar den deutschen Ausfuhren nach Spanien aus.

Zahlreiche Herausforderungen für die Unternehmen

Die geschilderte Positiventwicklung der deutschen Küchenmöbelindustrie im bisherigen Jahresverlauf ist angesichts der externen Rahmenbedingungen besonders hoch zu werten. Die kaum beeinflussbaren Probleme sind bekannt: galoppierende Inflationsraten, Vervielfachung der Energiepreise, gestörte Liefer- und Logistikketten, anhaltende Verteuerung von Vormaterialien, Unwägbarkeiten hinsichtlich der kommenden pandemischen Gesamtlage, verhagelte Verbraucherstimmung und Konsumzurückhaltung flaute durch erhöhte Sparneigung etc.

Eine interne Umfrage im Juli unter den Unternehmen unseres Verbands zeigt, dass die Sorgen um Materialkosten und die Lieferfähigkeit von Vormaterialien für über 90 Prozent der Unternehmen die größten Risikofaktoren darstellen. Danach folgen das Personal Recruiting, Energiekosten bzw. -versorgung sowie Nachfrageeinbrüche durch Inflation und den Russland-Ukraine-Krieg.

Aus diesem Grund fordern wir gemeinsam mit der gesamten deutschen Möbelindustrie eine aktive Unterstützung seitens der Politik ein. Auch als „nicht-energieintensive“ Branche muss unser Wirtschaftszweig von Kompensationsmaßnahmen im Energiesektor profitieren können, da die Kostenentwicklung auch für unsere Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen. Dies haben wir zuletzt sowohl gegenüber der Fraktionsvorsitzenden Bündnis 90/Die Grünen, Frau Britta Haßelmann sowie dem Bundeswirtschaftsministerium adressiert.

Kostenweitergabe inzwischen existenziell erforderlich

Hinsichtlich der Versorgung mit Vorprodukten planen zwei Drittel unserer Mitgliedsunternehmen, durch Diversifikation in der Beschaffung und/oder verstärkten Einkauf von Produkten aus heimischer bzw. regionaler Produktion gegenzusteuern. Das hat gute Gründe, denn ebenfalls zwei Drittel der Befragten bzw. gut die Hälfte geben an, besondere Herausforderungen auf Beschaffungsseite bezüglich der Lieferregionen Asien bzw. Osteuropa meistern zu müssen.

Daraus resultieren neben veränderten betriebswirtschaftlichen Kennziffern verlängerte Lieferzeiten, bis die bestellten Küchen an die Kunden ausgeliefert werden können. Fast die Hälfte unserer Unternehmen kalkuliert hier inzwischen mit über zehn Wochen, die übrigen gehen von Lieferzeiten bis zu acht Wochen aus. Nur ein gutes Fünftel ist innerhalb von vier Wochen lieferfähig.

Die aktuell sehr schwierige Situation auf Seiten der Küchenmöbelindustrie – trotz guter Umsatzzahlen in diesem Jahr, die jedoch kaum mit guten Erträgen korrespondieren – erzwingt eine schnelle Weitergabe steigender Kosten in der Kette, um die Substanz der Unternehmen nicht zu gefährden.

Wir bilden gemeinsam aus – die Lehrwerkstatt Möbelindustrie startet

Zusammen mit anderen Branchenzweigen hat die Küchenmöbelindustrie hingegen dem akuten Fachkräfte- bzw. Personalmangel erfolgreich entgegenwirken können – der durch Digitalisierung oder Rationalisierung nicht zu kompensieren ist. Obgleich unser Branchenzweig bei den zuletzt genannten Punkten weit vorangekommen ist – man denke beispielsweise an die Arbeit im Daten Competence Center, sind die zu erwartenden Ausfälle allein durch die kommende Verrentung der Babyboomer ein gewaltiges Problem. Zumal diese Entwicklung unser ganzes Land betrifft und wir damit im Rekrutierungswettbewerb zu Branchen wie dem Automobilbau oder der IT stehen...

Mit der Lehrfabrik für die Möbelindustrie in Löhne, bei der jetzt die konkreten Vorbereitungen anlaufen, wurde ein großer Schritt nach vorn getan. Hier engagieren sich u.a. viele Küchenmöbelhersteller und die aus- oder weitergebildeten Fachkräfte kommen später allen Unternehmen zugute. Sicher ist die Lehrfabrik nur ein erster Schritt und kann die betrieblichen Maßnahmen „nur“ flankieren. Aber mit Blick auf die Personalsituation in unseren Betrieben sind wir froh, diese längst fällige Investition endlich in trockenen Tüchern zu haben.

Wie geht es weiter: die Trends...

Das Nachhaltigkeitsdenken ist inzwischen keine Floskel oder erlahmte Werbeaussage mehr, sondern hat sich bei einem Großteil der Bevölkerung gedanklich verfestigt. Als Küchenmöbelindustrie kommen wir dem allein produktseitig in besonderer Weise nach und engagieren uns nicht nur beim Klimapakt der DGM, sondern unternehmerisch in vielfältiger Weise.

Eng mit Ressourcenschutz, Klimawandel bzw. Carbon Footprint oder Wiederverwertbarkeit korrespondiert die Kreislaufwirtschaft, bei deren Umsetzung wir branchenübergreifend durch unseren europäischen Dachverband FEIC normativ auf CEN-Ebene große Fortschritte gemacht haben. Was so abstrakt klingt, entfaltet eine gewaltige Wirkung im Wettbewerb, denn die Umsetzung gesellschaftlich relevanter Themen verursacht bei unseren Unternehmen Kosten. Somit müssen zwingend für alle Marktakteure europaweit die gleichen Voraussetzungen gelten.

Beim Design von Küchen dominieren immer mehr Lack und Lacklaminat die Fronten. Und matte Oberflächen bleiben „in“. Antifingerprint hat sich zwar noch nicht als „Standard“, in jedem Fall aber als eine inzwischen stark vom Kunden nachgefragte Spezifikation etabliert. Gerade in Deutschland prägen in farblicher Hinsicht Weiß und Beige das optische Bild moderner Küchen – aber auch dunklere und kräftigere Farben an Front oder Korpus üben einen zunehmenden Reiz auf die Verbraucher aus. Und wie in Krisenzeiten üblich, nimmt gegenwärtig der Anteil von Holznachbildungen oder – je nach Kaufkraft – von Furnieren wieder zu. Gestalterisch stark im Kommen sind schließlich strukturierte Oberflächen und Kanten sowie Fronten mit horizontalen oder vertikalen Lamellen.

... und der Versuch einer Prognose

Einen Ausblick zu geben fällt derzeit noch schwerer als in den Jahren zuvor – die vielzitierte „Zeitenwende“ betrifft auch die deutsche Küchenmöbelindustrie. Kurzfristig, also für 2022, rechnen wir mit soliden Umsatzsteigerungen. Für den gesamten Branchenzweig erwarten wir daher – allen gegenwärtigen Widrigkeiten zum Trotz – ein Wachstum für das Gesamtjahr 2022 bis 10 Prozent“, so Kurth. „Das Fundament, auf dem unsere Branche steht, ist stark belastbar. Jedoch gibt es Grenzen der Belastbarkeit, bei deren Überschreiten wir als Mittelständler öffentlich Gehör und Akzeptanz finden müssen!

Eine weitergehende Vorausschau wagt Stefan Waldenmaier dennoch: „Die Jahre 2023 und 2024 werden anspruchsvoll und anstrengend. Unser Wohlergehen als Branchenzweig hängt dabei nicht nur von der reinen Kostenseite und von der Entwicklung volkswirtschaftlicher Kennziffern ab. Maßgeblich wird die mentale Wahrnehmung beim Verbraucher werden: Vermitteln Politik und Medien positive Signale, wird er Mut schöpfen, was der Nachfrage und damit uns zugute kommt. Unabhängig davon wird in den nächsten Jahren der Export in Schlüsselmärkte wie den USA einen wichtigen Beitrag für unseren Erfolg leisten. Und ein starker Dollar macht uns zudem auch preislich attraktiver. Deshalb bin ich für die deutsche Küchenmöbelindustrie rundum optimistisch und zuversichtlich!“