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Vive la France!

Kooperationspartner der Möbelverbände informieren zum französischen Möbelmarkt

Herford den

Der französische Markt ist einer der wichtigsten für die deutsche Möbelindustrie. Trotz unmittelbarer Nachbarschaft, europäischer Tradition und langer gemeinsamer Geschichte „ticken“ die Uhren an Seine und Loire jedoch ganz anders als an Elbe und Weser. Um mehr Licht in die ‚Geheimnisse‘ dieses bedeutenden Absatzmarktes zu bringen, hatten die Unternehmen CCM Groupe SFA (Paris) und Gefrecom (Wachtberg) sowie Unternehmensberatung Titze – alle Kooperationspartner der Möbelverbände NRW – kürzlich nach Herford eingeladen.

„Go to France“ titelte die mit 30 Gästen gut nachgefragte und interessante Eintages-Veranstaltung am letzten Novembertag dieses Jahres. Das von Christian Langwald (Möbelverbände NRW) moderierte Seminar wurde durch Dr. Lucas Heumann, Geschäftsführer der Möbelverbände Nordrhein-Westfalen, eröffnet.

Frankreich ist Deutschland Exportmarkt Nr. 1

Er verwies auf den Wert guter, funktionierender Handelsbeziehungen zu unserem westlichen Nachbarn. Allein der Export beispielsweise der deutschen Küchenmöbelindustrie macht die Spitzenstellung Frankreichs deutlich: 2015 wurden Küchen im Wert von ca. 390 Mio. EUR zu unserem Nachbarn exportiert, ins allzeit medienpräsente China hingegen in Höhe von „nur“ 54 Mio. EUR. Eine Relation von rund 7 zu 1 – bei einem Bevölkerungsverhältnis von 1 zu 21…!

In mehreren Beiträgen berichtete Olaf Pointeau, MBA und Inhaber der Gefrecom Unternehmensberatung (was für ‚German French Consulting Management‘ steht) über kulturelle Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, zu den Besonderheiten beim Möbelkauf in Frankreich und den Kaufverhandlungen dort, zum Markteintritt in Frankreich und dessen Barrieren, über Messen, den Handel und die Wettbewerber auf Industrieseite sowie im speziellen zum Wirtschaftsstandort Jussey – gelegen etwa mittig des Dreiecks Paris, Lyon und Stuttgart.

Besonderheiten und Gebräuche unbedingt beachten

Grundlegende Unterschiede zum Möbelland Deutschland bestehen beispielsweise darin, dass Technik, Qualität und Serviceversprechen zu einem Produkt deutlich über dessen Design und Preis in der Wertehierarchie französischer Verbraucher angesiedelt seien. So Winfried Titze, Inhaber des gleichnamigen Consultingunternehmens (Neuss).

Und weiter: Kaufentscheidungen werden schneller getroffen, aber intensiv vorbereitet. Die Gestaltungsmacht der Kunden, aber auch die des Möbelhandels in Frankreich werde von deutschen Firmen oftmals unterschätzt. Zu vergleichbaren Fehleinschätzungen verleite auch oft die Landkarte: Im Gegensatz zu Deutschland ist Frankreich beinahe doppelt so groß, die Tourenplanung deswegen außergewöhnlich anspruchsvoll.

Garantieversprechen sind ein wichtiges Verkaufsargument

Große Unterschiede auch im Vertrieb. Der Möbelhandel kenne die „Großfläche“ wie Deutschland faktisch nicht (außer Discounter), Fachmärkte wie für Küchen gäbe es kaum. Die Sortimentspolitik sei eine völlig andere – beispielhaft verwies Olaf Pointeau darauf, dass Elektro-Haushaltgroßgeräte oft mit HiFi bzw. Fernsehern und Elektrogeräte oft mit Küchenmöbeln vermarktet werden. Der Distanzhandel spiele eine untergeordnete Rolle, was auch auf Sicht so zu bleiben scheint.

Weitere Besonderheiten: höhere Preisaggressivität im Vergleich zu Deutschland, „Küchen“ werden häufig über das Mitnahme-Segment und als Einzelmöbel vertrieben, die klassische Einbauküche sei nur bei gut der Hälfte der Haushalte zu finden. Der Durchschnittspreis für Küchen liegt in Frankreich bei ca. 4.500 EUR und damit geringer als in Deutschland, Luxemburg oder erst recht der Schweiz.

Bei Markteintritt Beratung und Unterstützung erforderlich

Benoit Girerd ist Steuerberater bei CCM Groupe SFA. Er konzentrierte sich in seinen Vorträgen folglich auf finanzielle, steuerliche und rechtliche Aspekte des Engagements im französischen Markt. Im Detail stellte er alltägliche Geschäftspraktiken französischer Banken, der Finanzämter und der Steuerbehörden vor. Auch zum Arbeits- und Tarifrecht sowie dem Handelsvertreterrecht informierte Girerd, auf Nachfrage bis ins Detail.

Interessant in diesem Kontext war beispielsweise, das die vielgeschähte 35-Stunden-Woche oder die hohen Sozialabgaben zwar vorhanden, jedoch relativ zu sehen sind: In Frankreich werde im Regelfall 40 Stunden in der Woche gearbeitet, was bis zu 48 Stunden erweitert werden kann. Und die prozentual höheren Sozialabgaben müssten im Bezug zu geringeren Bruttolöhnen gesehen werden. Wirklich gravierend sind die „extraordinairen“ Spesenregelungen. Hier zeigt sich, dass „Leben wie Gott in Frankreich“ auch für Geschäftsreisende gilt – oder gar nicht gereist werde…

Nicht kompliziert, nur anders

Ein Fazit: Obwohl die einzelnen Regionen Frankreichs sehr spezifisch einrichten, werde auf gutes Wohnen insgesamt Wert gelegt. Der Nachholbedarf im Interior Design sei groß, die Chancen damit für deutsche Anbieter beachtlich. Zwei Dinge sollten beachtet werden: Ohne ‚locuteur natif‘ bzw. Muttersprachler wird die Markterschließung in Frankreich schwer. Und: Mit ‚Möbelmarken‘ verbinden Franzosen kaum etwas; wenn doch, dann fast nur mit Herstellern aus dem Inland.

Zusammenfassend brachte der angereiste Ehrengast Olivier Rietmann, Bürgermeister der Kommune Jussey, die erfolgreiche Veranstaltung der Möbelverbände zu Frankreich treffend auf den Punkt: „Frankreich ist nicht kompliziert, nur ‚ein wenig anders‘ als Deutschland…“