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Wir suchen den fairen Ausgleich!

Bundeskartellamtspräsident Mundt bei VdDW und VdDP

Herford den

Durch die zeitgleich stattfindende Internationale Möbelmesse Brüssel trafen sich in diesem Jahr die Vorstände des Verbands der Deutschen Wohnmöbelindustrie (VdDW e.V.) sowie der Deutschen Polstermöbelindustrie (VdDP e.V.) zu ihrer turnusmäßigen Herbstsitzung in der belgischen Hauptstadt. Besonderer Höhepunkt für die Führungskräfte beider Verbände war ein abendlicher Gedankenaustausch mit Kartellamts-Präsident Andreas Mundt.

IMM cologne ausgebucht

Den Aufschlag zur verbandlichen Zwei-Tages-Veranstaltung machte der Wohnmöbelverband am 8. November. Die Vorsitzenden Markus Wiemann und Wolfgang Kettnaker begrüßten die angereisten Vorstandsmitglieder. Uwe Deitersen gab danach einen ausführlichen Sachstandsbericht zum Vorbereitungsstand der kommenden IMM cologne, die erneut von hohen Sicherheitsstandards geprägt sein wird.

Auf der internationalen Leitmesse seien zwölf Wochen vor Start alle Hallen belegt; derzeit haben 922 Unternehmen, davon 656 aus dem Ausland, gebucht. Hohe Nachfrage gäbe es wiederum im Bereich „Pure“, die „Polsterer-Hallen“ sind bis auf den letzten Meter belegt. Premiere haben die Länderpräsentationen der Ukraine und des Kosovo. In Halle 7 werden brandaktuell die Vernetzungsmöglichkeiten von modernem Wohnen und der Kommunikationstechnologie demonstriert (Smart Home).

Deutscher Wohnmöbelmarkt läuft gut

Der Geschäftsbericht von Dr. Lucas Heumann konzentrierte sich auf wirtschaftliche Fakten. Dabei zeigt sich die Entwicklung der Auftragseingänge 2016 bisher in sonnigerem Licht, insbesondere beim Außenhandel scheint eine Trendwende zugunsten deutscher Exporte eingeleitet. Dennoch bliebe der Außenhandelssaldo für „Wohnen“ noch negativ. Weitere Schwerpunkte bildeten das neue Statistiktool der Möbelverbände, das LKW- und Schaumstoffkartell und das neue Berufsbild des „Maschinen- und Anlagenführers Möbel“.

Vergleichbar der jüngsten Sitzung des Küchenmöbelverbands berichteten Andreas Ruf (Geschäftsführung Möbelverbände, Herford) zum geplanten Compliance-Management-System der Branche, Henning Bloech (eco-Institut, Köln) zur Schadstoffanalytik in den USA und Frankreich sowie Dr. Olaf Plümer von den NRW-Möbelverbänden zu Gefährdungsanalysen am Arbeitsplatz und zu Normung bzw. Technik.

Bundeskartellamt – Hüter des Wettbewerbsrechts in Deutschland

Nach kurzer Pause stießen die Vorstände des Verbands der Deutschen Polstermöbelindustrie zur anschließenden Diskussionsrunde mit Andreas Mundt, der auf Initiative von EU-Parlamentarier Andreas Schwab einer Einladung der Herforder Möbelverbände gefolgt war. Mundt, Jahrgang 1960, ist seit dem Jahr 2000 im Bundeskartellamt beschäftigt. Nach der Leitung der Grundsatzabteilung ab 2005 wurde er Ende 2009 als Nachfolger von Bernhard Heitzer zum Präsidenten der obersten Wettbewerbsbehörde Deutschlands ernannt.

Das Bundeskartellamt mit seinen 350 Mitarbeitern sieht sich in der Tradition des vormaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard. Arbeitsschwerpunkte sind die Fusionskontrolle, die Kartellverfolgung – die entgegen der öffentlichen Wahrnehmung keine beherrschende Bedeutung in der Behörde hat, die Missbrauchsaufsicht sowie die Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes. Das Amt ist unabhängig und dem Bundes-Wirtschaftsministerium zugeordnet.

Andreas Mundt: Kommen Sie zu uns – mit Fakten!

Ehrengast Andreas Mundt nahm innerhalb kürzester Zeit alle Zuhörer für sich und seine Anliegen ein. Entgegen mancher durch Medienberichte implizierter Befürchtungen auf Unternehmerseite betonte der Spitzenbeamte stets den Willen zum Zuhören und der Kooperation. So wurde auch deutlich, dass er den Gesprächstermin gern zum Anlass nahm, potentielle Ängste vor dem Amt zu nehmen. Immer wieder unterstrich er den Kooperationswillen seiner Behörde mit der mittelständisch geprägten Möbelindustrie.

Dass sich das Bundeskartellamt weder als „indirekter Haushaltsanierer“ des Bundes noch als „Strafverfolger von Unternehmern“ versteht, sondern als Wächter über eine angemessene Fairness im Wettbewerbsgeschehen auf dem deutschen Markt, zeigt auch die neu geschaffene Möglichkeit, anonym und online das Amt auf mögliche Verstöße aufmerksam zu machen – natürlich bei begründetem Verdacht. Für ihn, so Andreas Mundt, stünde der Ausgleich von Marktverzerrungen immer im Fokus.

Mundt ging in der Diskussion auf jede gestellte Frage intensiv und verbindlich ein. Zusätzlich lud er die Verbandsvertreter zu einem Meinungsaustausch mit ihm und der für die Möbelindustrie zuständigen ‚Beschlussabteilung 1‘ ein. Natürlich sei eCommerce das neue zentrale Thema im Bundeskartellamt, trotzdem werde sich die Behörde auch in den klassischen Industriezweigen darum sorgen, dass die ‚Schwachen‘ im Markt nicht von den ‚Starken‘ gesetzeswidrig benachteiligt werden.

Polstermöbelindustrie: Produktion wandert weiter ab

Am Folgetag, dem 9. November, trafen sich dann die Vorstände des VdDP an gleicher Stelle wie zuvor der VdDW-Vorstand. Als erster Referent berichtete Uwe Deitersen zur kommenden IMM cologne. Besondere Aufmerksamkeit erregte dessen Feststellung, dass erstmals mehrere „Big Shots“ aus dem Preiseinstiegssegment um eine Messebeteiligung nachgesucht hätten. Diese konnten derzeit leider (noch?) nicht bedient werden, wie Deitersen weiter ausführte. Klärungsbedarf zeigte sich im Kontext zur Begros-Veranstaltung in Halle 1 bezüglich der nicht kommunizierten Abbauzeiten.

Der Geschäftsbericht von Dr. Heumann legte grundsätzlich auf die gleichen Schwerpunkte wert wie bei der Vortagessitzung. Er erläuterte anhand der amtlichen Statistik und der internen Auftragserfassung des VdDP, dass nach wie vor Produktionskapazitäten ins Ausland abwandern. Zu bedenken gäben damit die Beschäftigungsentwicklung und die abnehmende Zahl deutscher Betriebsstätten.

Compliance Systeme als Prophylaxe vor UWG-Verstößen

Im Unterschied zum VdDW nahmen die Ausführungen zum Schaumstoffkartell, hier vorgetragen von Andreas Ruf, verständlicherweise wesentlich breiteren Raum ein. Obwohl die Schadenserhebung sehr aufwendig sei und das benötigte Rechtsgutachten erhebliche Kosten verursacht, werden dennoch bedeutende Branchenunternehmen Schadensersatzforderungen stellen. Von erheblichem finanziellem Vorteil ist, dass das Gutachten nicht von jedem Betroffenen einzeln, sondern als gemeinsam getragene, verbandliche Lösung erstellt wird.

Ruf erläuterte ebenfalls den Stand zum Aufbau eines Compliance Management Systems für die Branchenzweige der Möbelindustrie. Auch da gesetzliche Verschärfungen kurz- und mittelfristig zu erwarten seien, sprachen sich die Polstermöbelvorstände ebenso einhellig für die Fortführung der Vorbereitungsarbeiten aus wie zuvor der VdDW.

Normungsarbeit: Immer öfter steht Deutschland allein da

Anschließend referierten Henning Bloech zur Emmissionsprüfung und Georg Lange zur Gefährdungsanalytik und zu Normungsfragen. Grundsätzlich zeichnet sich laut Lange immer mehr ab, dass China (in eigenem Interesse!) die Normungsarbeit vorantreiben will, die USA hingegen im „Bremserhaus“ sitzen. Und unter dem Strich werde es immer schwieriger, durch Untersuchungen belegte Fakten in den Gremien durchzusetzen – auch in Segmenten, in denen die deutsche Wirtschaft zweifelsfrei führend sei.

Die Tagung schloss mit der Bestätigung des Jahresabschlusses 2015 und der Verabschiedung des VdDP-Etats 2016. In Abwesenheit wurde Andreas Seufferle von den Bielefelder Werkstätten Heinz Anstoetz Polstermöbelfabrik KG (Bielefeld) als Rechnungsprüfer nachgewählt. Die kommende Vorstandssitzung im Frühjahr wird dann vom VdDP-Mitgliedsunternehmen Polstermöbel Oelsa GmbH, Rabenau, ausrichtet.